DIE UNABHÄNGIGE FACHZEITSCHRIFT FÜR HOCHZEITSMODE

Wie sieht der Generationenvertrag bei Très Chic aus?

Sposa Facts fragte beim niederländischen Unternehmen Très Chic nach, wie eine Geschäftsübergabe an die nächste Generation gelingen kann. Wir sprachen mit Rolf Kuipers, der den Brautmodenhersteller jetzt in der dritten Generation führt.

Vor zwei Jahren haben Sie anlässlich Ihrer Hochzeit gesagt: „Ich wünschte, mein Großvater wäre dabei gewesen!“ Wie wichtig sind Ihnen Familienwerte?

„Familie war mit persönlich schon immer wichtig. Einige Familienmitglieder arbeiten im Unternehmen und die meisten Mitarbeitenden kommen aus unserem Dorf beziehungsweise aus der Region. Jeder kennt sich, alle arbeiten auf Basis ähnlicher Familienwerte. Für mich und die meisten Mitarbeitenden ist das Team von Très Chic nicht nur eine Gruppe von Kollegen, wir sind eigentlich eine große Familie.“

Très Chic wurde im Juni 60 Jahre alt – wie wichtig ist dieses Jubiläum für Sie persönlich?

„Für mich fühlt es sich wie ein Neuanfang an. Très Chic ist seit Jahren ein großer Akteur in der Brautmodenbranche. Das 60-jährige Bestehen zu feiern, zeigt Stärke und Flexibilität in einem Markt, der nicht immer einfach zu bedienen ist. Das stabile Rückgrat, das das Unternehmen in den letzten 60 Jahren aufgebaut hat – einschließlich mehrerer wichtiger Verbesserungen der Marke in den letzten Jahren – ist dafür die Basis. Wir setzen auf mindestens weitere 60 Jahre!“

Können Sie uns einen kurzen Rückblick geben?

„1964 wurde Très Chic mit vier Mitarbeitenden gestartet, 1979 hatten wir schon über 140 Angestellte. Damals haben wir die meisten Kleider lokal im niederländischen Hengevelde produziert und verkauft. Nach 1979 haben wir international expandiert, hauptsächlich nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz sowie die skandinavischen Länder. Ende der 90’er Jahre haben wir die ersten Kleider bei chinesischen Lieferanten bestellt. Im Jahr 2004 gründete Très Chic sein eigenes Produktionsunternehmen in Xiamen und verlagerte nach und nach die gesamte Produktion dorthin. Seit 2015 expandieren wir in weitere europäische Länder.“

Wie wird das Jubiläum gefeiert?

„Wir feiern dieses Jahr neben unserem Firmenjubiläum auch das 20-jährige Bestehen der Produktionsstätte in China. Im April ist das Management nach Xiamen geflogen, um das gesamte Produktionsteam für ein Wochenende nach Chengdu einzuladen. Dies war eine wunderbare Reise, großartig auch fürs Teambuilding innerhalb unseres chinesischen Teams. Und im Dezember wird das Headquarter-Team für ein paar schöne Tage gemeinsam Urlaub machen.“

Sie sind die einzige EU-Marke mit eigener Produktion in China und Design in der EU. Macht Sie das stolz?

„Es macht mich sehr stolz, dass mein Vater Brian Kuipers es geschafft hat, unsere eigene Produktionsstätte in Xiamen zu etablieren und kontinuierlich zu erweitern. So kontrollieren wir die gesamte Produktionskette, können flexibel am Markt agieren und kurze Lieferzeiten garantieren.“

Wie ist die Übergabe gelungen?

„Es war und ist noch immer eine aufregende und manchmal auch schwierige Reise. Die Geschäftsübergabe hat mehrere Jahre gedauert, wir haben kontinuierlich auf ein endgültiges Übernahmedatum hingearbeitet. Gemeinsam haben wir ein übernahmewürdiges Unternehmen aufgebaut, das ich jetzt in der dritten Generation führen darf. Mein Vater kann sich seine wohlverdiente Ruhe gönnen. Aber so wie ich ihn kenne, wird er immer für den Betrieb und auch für mich da sein.“

Hatten Sie schon immer eine Leidenschaft für Brautmode?

„Ich habe Informationswissenschaften an der Universität Groningen studiert und hauptsächlich verschiedene Programmiersprachen gelernt. Mein Hintergrund ist also computerbasiert und hat nichts mit Brautmode zu tun. Aber Très Chic spielte innerhalb der Familiengeschäfte immer eine führende Rolle. Also habe ich die Möglichkeit im Hinterkopf behalten, bei Très Chic einzusteigen.“

Wie kommt ein ITler zur Bridal Fashion?

„Während meiner Abschlussarbeit suchte Très Chic nach Implementierungsmöglichkeiten neuer Automatisierungssoftware im Unternehmen, fand aber niemanden, der diesen Prozess leitete. Also habe ich während meines Studiums Software analysiert und bei Très Chic implementiert – das passte perfekt. Nach meinem Studium habe ich den Prozess weiter begleitet, denn fast alle Prozesse umzustellen war für die meisten Mitarbeiter nicht einfach. So gewann ich Einblicke in fast alle Aspekte des Unternehmens und konnte einige Prozesse in einer Weise ändern, die ich für angemessen hielt.“

Und danach?

„Nach dem Automatisierungsprozess übernahm ich die Rolle des Exportmanagers und kam in Kontakt mit all unseren Vertretern in den verschiedenen Ländern. Jedes Jahr habe ich zusammen mit dem Team immer mehr Zeit und Energie in die Verbesserung wichtiger Aspekte des Unternehmens gesteckt: von einem strukturierteren Designprozess über Änderungen bei den Fotoshootings bis hin zur Logistik.“

Wie fühlt es sich an, das Familienunternehmen in der dritten Generation zu führen?

„Es ist eine große Verantwortung, aber es hat sich in den letzten Jahren natürlich entwickelt. Das Unternehmen wurde in den letzten Jahren bereits von mir geführt, immer in Absprache und mit Zustimmung von Brian. Am 1. Juli ist es offiziell!“

Was waren die größten Herausforderungen und Freuden bei der Übernahme des Unternehmens?

„Herausfordernd war die Umstrukturierung im Workflow und die Verbesserungen, um tatsächlich die Marke zu werden, die wir sein wollen. Einige Änderungen waren mit vielen Diskussionen sowie Höhen und Tiefen verbunden, aber zum Glück haben alle dazu geführt, dass wir insgesamt ein besseres Unternehmen geworden sind. Die meisten Freuden bestehen darin, kontinuierlich von unseren Vertretern und Kunden zu hören, dass wir immer besser werden, oft sogar im Vergleich zu einigen der größten Marken. Das treibt mich an, um unser Business in den kommenden Jahren auf ein noch höheres Niveau zu heben.“

Wie wichtig ist Marketing für Très Chic?

„Die Wirkung von Marketing ist oft schwer in Statistiken zu messen, aber bei Très Chic sind wir uns alle einig, dass es einer der wichtigsten Aspekte unseres Geschäfts ist. Von A bis Z sollten alle online- und offline-Materialien, die wir zur Verfügung stellen, so niedrigschwellig und professionell wie möglich für unsere Agenten, Kunden und Bräute aufbereitet sein. Aus diesen Gründen muss das Fotoshooting perfekt sein, denn die Bilder bilden die Grundlage für fast alle Verkäufe und Inhalte, die jährlich erstellt werden.“

Was ist Ihr persönlicher Eindruck der Multimedia-Strategie des Unternehmens?

„Wir besprechen in unseren jährlichen Treffen, was im Laufe des Jahres getan und erstellt werden muss. Ich vertraue voll und ganz der Online-Strategie des Marketing-Teams, daher habe ich in diesem Bereich gar nicht so viel Einblick. Bei anderen Aspekten gebe ich oft mein Feedback oder meine Ideen, wo es nötig ist. Physisch erhalte ich fast alle Materialien, die erstellt werden, um meine Meinung und/oder Genehmigung zu geben. Ich bin immer für das Team da, um zu sprechen, zu diskutieren und mitzuarbeiten.“

Wie haben Sie sich auf Ihre neue Rolle vorbereitet? Gab es Schulungen oder Mentoren?

„Nein, es gab keine speziellen Schulungen oder Mentoren. Meine Rolle des Unternehmensmanagers, die schließlich zum Eigentümer führt, hat sich im Laufe der Jahre ganz natürlich entwickelt. Während meiner täglichen Arbeit habe ich kontinuierlich mit unseren Vertretern, dem internen Personal und auch viel mit Andrew Georgiou, der bei uns für Marketing und Produktentwicklung zuständig ist, gesprochen.“

Wo sehen Sie das Unternehmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

„Ich hoffe, dass das Unternehmen weiterwachsen wird und die Kundenbasis in den Märkten, in denen wir derzeit tätig sind, substantieller wird. Wir möchten mit den größten Marken da draußen konkurrieren. Ich hoffe, dass wir in einigen Jahren dann auch in die für uns neuen Märkte USA und Kanada expandiert haben. Am Ende sehe ich uns immer noch als einen der stabilsten Akteure in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Lieferpünktlichkeit mit einem der besten Kundenerlebnisse, die angeboten werden.“

Wie balancieren Sie die Anforderungen des Geschäftslebens mit Ihrem Privatleben?

„Privatleben und Freizeit sind der Schlüssel zur Produktivität und letztendlich zum Glück. Unser Team und ich arbeiten stets hart daran, das Beste für das Unternehmen zu geben, aber wir schaffen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben. Die meisten von uns arbeiten regulär an fünf Wochentagen acht Stunden und haben das Wochenende frei – abgesehen natürlich von der Messesaison oder von Shows an Wochenenden.“

Sie haben also einen 40 Stunden-Job?

„Als Unternehmensleiter muss man eigentlich rund um die Uhr verfügbar sein, aber ich bemerke, dass je besser die Strategie und Organisation der täglichen Arbeit ist, desto weniger Wochenend- und Nachtarbeit nötig ist. Persönlich weiß meine Frau, dass ich mehrmals im Jahr unterwegs bin, aber dies wird immer mit Familienzeit zu Hause ‚kompensiert‘. Die Arbeit hört nie auf, daher könnte ich, wenn ich wollte, jeden Tag arbeiten. Aber wie gesagt, dies ist nicht meine Philosophie: Familie steht immer an erster Stelle.“

Gibt es ein Motto, das Sie in Ihrer Arbeit und bei der Führung des Unternehmens leitet?

„Eines meiner persönlichen Mottos lautet: Stillstand bedeutet Rückschritt. Meiner Meinung nach leisten wir bei Très Chic großartige Arbeit. Viele Aspekte des Unternehmens sind bereits auf einem sehr hohen Niveau. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir aufhören sollten, uns zu verbessern. Ich frage mich kontinuierlich, in welchen Bereichen sich das Unternehmen noch optimieren lässt. Natürlich möchte ich meinen Vater und meine ganze Familie sowie die Mitarbeiter stolz machen, indem ich die Stabilität des Unternehmens für die Zukunft aufrechterhalte.“

Drei Männer lächeln in einem Brautmodengeschäft, einer von ihnen trägt humorvoll ein Brautkleid. Sie sind umgeben von eleganten Hochzeitskleidern und einer fröhlichen Atmosphäre.

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