DIE UNABHÄNGIGE FACHZEITSCHRIFT FÜR HOCHZEITSMODE

Dr. Bettina Hoffmann-Ripken: New Work – so geht‘s in der Brautmode

Der Arbeitsmarkt verändert sich. Dazu trägt die demographische Entwicklung, die zu Personalknappheit führt, ebenso bei wie die „Generation Anspruch“, die Tätigkeiten radikal hinterfragt und Erwartungen frei heraus formuliert. Gute Fachkräfte zu binden beziehungsweise erfolgreich agierende Teams zu bilden, wird zur zunehmenden Herausforderung. Wie kann sich der Hochzeitsmodehandel in diesem HR-Umfeld behaupten?

Die promovierte Volkswirtin, systemische Organisationsentwicklerin, Führungskräftecoachin und Dozentin an der Universität St. Gallen und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Dr. Bettina Hoffmann-Ripken ist überzeugt, dass sich die Zukunft eines Unternehmens an der Qualität der Zusammenarbeit entscheidet. Im Interview erläutert sie, wie sich „New Work“ erfolgreich implementieren lässt.

1 WIE DEFINIEREN SIE NEW WORK?

„Viele denken, New Work beziehe sich vor allem auf mobiles beziehungsweise hybrides und zeitflexibles Arbeiten. Der Begriff ist jedoch viel älter als diese Entwicklungen. Er wurde von dem Philosophen Frithjof Bergmann geprägt, der 1984 das erste ‚Centre for New Work‘ in Michigan gründete. Sein Ansatz: Menschen sollten sich eine Arbeit suchen, die sie erfüllt, bei der sie sich gut einbringen und entwickeln können. Arbeit nimmt einen Großteil der Lebenszeit in Anspruch, man sollte also etwas tun, das man als sinnvoll und sinnstiftend erlebt. Heute werden alle modernen Formen von Führung und Zusammenarbeit unter dem Begriff summiert.“

2 DAS MERKMAL „STATIONÄR“ DES BRAUTMODEHANDELS SCHRÄNKT DIE MÖGLICHKEITEN DES REMOTE-ARBEITENS EIN. EIN NACHTEIL?

„Nicht unbedingt. Wie gesagt, das mobile Arbeiten rund um Homeoffice & Co. ist nur ein kleiner Teil von New Work. Zudem sind branchenübergreifend viele Betriebe wieder dabei, ihre Belegschaften zumindest in Teilzeit ins Büro beziehungsweise an die Firmenstandorte zurückzuholen. Sie stellen fest, dass die bereichsübergreifende Zusammenarbeit, Kreativität und somit Leistungsfähigkeit leiden. Das Resonanzerleben fehlt. Menschen brauchen den sozialen Kontext, unser Gehirn ist auf Kooperation ausgelegt.“

3 SIE PLÄDIEREN FÜR EINE KULTUR DER MENSCHLICHKEIT. WAS ZEICHNET DIESE AUS?

„Mit Blick auf den Wettbewerb um qualifiziertes Personal ist diese Kultur meiner Meinung nach ökonomisch notwendig. Sie aktiviert das ganze Potenzial der Mitarbeitenden und ist dann erreicht, wenn sieben Teilkulturen gelebt werden: Achtsamkeits-, Feedback-, Fehler-, Verantwortungs-, Konflikt-, Persönlichkeitsentwicklungs- und Empathiekultur. Ich habe das Konzept mit Dr. Andrea Barrueto entwickelt, die ebenfalls Coachin und Dozentin ist, und wir haben gemeinsam ein Buch dazu geschrieben.“

4 MENSCHLICHKEIT HEISST ABER NICHT, DEN MITARBEITENDEN ALLES RECHT MACHEN ZU MÜSSEN?

„Nein, es geht mitnichten um einen Kuschelkurs und die Etablierung einer Wohlfühloase mit grenzenlosem Verständnis und Nachsichtigkeit. Die Komfortzone ist zwar bequem, führt aber zu einer trägen Zufriedenheit und bringt die Menschen nicht in ihre Energie. Entscheidender sind Aktivierung und Inspiration. Es ist eine Kultur gemeint, in der die Teammitglieder herausgefordert werden, Verantwortung zu übernehmen und den Mut haben, sich und ihre Meinung einzubringen. Eine Kultur, in der ihre Bedürfnisse wahrgenommen werden – nach innerem Wachstum, Lernen, Entfaltung, Kommunikation auf Augenhöhe, Kooperation und Gemeinschaft.“

5 WIE GEHT MAN DIE ENTSPRECHENDE ORGANISATIONSENTWICKLUNG AN?

„Geschäftsleitungen sollten immer bei sich selbst anfangen, beispielsweise im Rahmen eines Führungskräfte-Workshops, und sich wirklich kritisch hinterfragen: Was sind die eigenen Werte, prägenden Mindsets, Haltungen? Welche Glaubenssätze beeinflussen die Führung? Auf der Ist-Analyse basierend, sollte man dann mit einer der oben genannten Teilkulturen starten, zum Beispiel mit der, bei der man den größten Hebel sieht. Wichtig ist, dem Team glaubhaft vorzuleben, was eingefordert wird.“

6 KÖNNEN SIE UNS DAS AM BEISPIEL FEEDBACKKULTUR ERLÄUTERN?

„Ehrliches Feedback zu geben, aber auch anzunehmen, will gelernt sein. Das ist für viele Menschen ein Entwicklungsfeld. Auch im interkulturellen Kontext gibt es hier unterschiedliche Empfindlichkeiten. Wichtig ist: Es geht nicht ums ‚Nett sein‘, sondern ums ‚Echt sein‘. Heutzutage ist nicht selten eine toxische Wertschätzung anzutreffen. Es schafft Unsicherheit, wenn man nur noch nett und freundlich miteinander ist. Dann weiß niemand mehr, was wahrhaftig ist. Ein respektvoller Umgang ist aber natürlich Voraussetzung. Wie häufig werden auch Spannungen nicht rechtzeitig angesprochen, weil das Rüstzeug und die Kompetenz dafür fehlen? Daran zu arbeiten, stärkt Teamzufriedenheit und Geschäftserfolg.“

7 WIE SOLLTE DIE WEITERBILDUNG ABLAUFEN?

„Inhouse-Schulungen sind meist wertvoller als externe Maßnahmen, da sie sich besser auf die eigene Organisation ausrichten lassen. Wichtig sind kleine, aber regelmäßige Aktivierungen, um die gewünschten Kompetenzen und Arbeitsprozesse wirklich einzutrainieren und zu etablieren. Das Tagtägliche, Wiederkehrende bewirkt mehr als der eine große Teamtag.“

8 WAS KENNZEICHNET NEW LEADERSHIP?

„Der Weg führt von den drei K‘s zu den drei F‘s: Kontrollieren, Korrigieren, Kommandieren sollten der Vergangenheit angehören und durch Fragen, Fördern, Feedback geben ersetzt werden. Mehr verteilte Führung ist zudem empfehlenswert. Führungsarbeit sollte in Rollen gedacht und von unterschiedlichen Personen je nach individuellen Stärken übernommen werden. Wenn sie Verantwortung tragen, ohne dabei überfordert zu werden, fühlen sich Menschen empowert und wertvoll. Und welche Führungskraft verfügt schon in Personalunion über solche Superkräfte, gleichermaßen strategisch, visionär, ökonomisch stark, kreativ und empathisch zu sein?“

9 WELCHE CHANCEN SEHEN SIE FÜR DIE BRANCHE HOCHZEITSMODEHANDEL?

„Sie ist mit positiven Dingen beschäftigt, trägt dazu bei, dass Kundinnen und Kunden einen schönen Tag erleben, und erhält von diesen viel Resonanz. Das schafft Sinnhaftigkeit und ist eine gute Grundlage. Das hier vorgestellte Konzept der Kultur der Menschlichkeit lässt sich unserer Erfahrung nach zudem vom Mittelstand besonders gut umsetzen.“

Dr Hoffmann Ripken

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